Bau und Organisation einer Schulseismographenstation mit digitaler Fernabfrage und Konstruktion eines Lehrseismographen
2.5 Elektronik und Datenverarbeitung
2.5.1 Elektronische Komponenten
Bei der unverarbeiteten Aufzeichnung des Spulensignals ergeben sich zwei Probleme: Erstens ist das Signal bei den für Fernbeben typischen Bodenbewegungen (einige µm) sehr schwach, daher ist eine hohe Verstärkung notwendig; zweitens überlagern Störsignale (z.B. von vorbeifahrenden Fahrzeugen, elektromagnetischen Feldern) die Messung, die oft eine größere Amplitude haben als das eigentliche Erdbebensignal. Praktischerweise liegen diese frequenzmäßig so weit vom Erdbebensignal entfernt, dass es genügt, alle hohen Frequenzen (>0.33 Hz) herauszufiltern.
Verstärker und Tiefpassfilter sind in einer Schaltung untergebracht (siehe Abb. 2.8, S. 9), die Idee für die Realisierung stammt von Prof. Wielandt [5]. Durch die Wahl der Widerstände R3, R4 und R5 können Verstärkungsfaktor kV bzw. Filtergrenzfrequenz f0F mit
nahezu beliebig gewählt werden. Der Ausgang des Filters kann direkt an einen Schreiber angeschlossen werden. Wie allgemein üblich wird das Signal auf Endlospapier aufgezeichnet, wobei ein separater Rampengenerator für den nötigen Vorschub sorgt und ein Zeitmarkengeber alle 10 min. eine Marke setzt.
2.5.2 Datenverarbeitung
Die Aufzeichnung auf Papier hat jedoch eine sehr geringe Auflösung, abgesehen davon, dass die Auswertung nicht besonders komfortabel ist; hinzu kommen noch die üblichen Nachteile, die sich bei der Aufzeichnung von analogen Signalen ergeben (z.B. Kopierverlust). Will man ein solches Signal zusätzlich mit Mitteln der modernen Datenfernübertragung verbreiten, hat man keine andere Wahl, als das analoge Signal zu digitalisieren ("samplen"). Ein den Aufwand rechtfertigendes Ergebnis erreicht man allerdings erst ab einer Samplefrequenz von ca. 10Hz und einer Auflösung von >=12 Bit. Bei drei Kanälen ergibt sich daraus eine Datenmenge von
3 · 2 · 9,1 · 86400 = 4.717.440 Drei Seismographen 16 Bit = 2 Byte Samplefrequenz in Hz; ergibt sich aus
einer Besonderheit in der PC-HardwareSekunden des Tages Byte pro Tag
Durch Komprimierung reduziert sich die Datenmenge ungefähr auf die Hälfte; trotzdem will eine Mess-Spur von 821 MByte jährlich gesichert und verwaltet werden. Hinzu kommen noch die Messwerte der Hall-Sonden (Kontrolle der Ruhelage), die zwar nicht abgespeichert, aber zumindest irgendwie angezeigt werden müssen, sowie das Zeitsignal des DCF-77-Empfängers, das gleichzeitig mit dem Spulensignal aufgenommen wird und u.a. die Rampe des Schreibers steuert.
Auch die Konstanz der Sampling-Rate ist ein großes Problem: Werden außer der Messwerterfassung noch andere Aufgaben ausgeführt (z.B. die Datensicherung auf Band), ist während dieser Zeit keine Aufzeichnung möglich. Daher arbeiten wir mit zwei Rechnern. Der eine zeichnet auf und überträgt die gesammelten Daten einmal täglich zum zweiten Rechner, wobei die Messung nicht unterbrochen werden muss. Der zweite Rechner stellt während der restlichen Zeit die Schnittstelle zur Außenwelt dar: Über ein Modem kann man auf sämtliche Daten der Station zugreifen und sogar das aktuelle Seismographensignal auf den eigenen Bildschirm holen; man kann ein Erdbeben ggf. "live" verfolgen. Außerdem ist in begrenztem Maße eine Fernwartung möglich: Man kann die Pendel anstoßen und kontrollieren, ob diese frei schwingen, sich "verhakt" haben oder in Anschlagposition ruhen.
Wir verwenden folgende Hardware (siehe Abb. 2.5):
Rechner 1: 286AT12 Rechner 2: 386SX16 Messkarte: Die Messkarte kann nicht nur analoge Daten digitalisieren, sie hat auch 16 digitale Ein- und Ausgänge, die durch den DCF-77-Empfänger und die Relaiskarte belegt sind. DCF-77-Empfänger: Dieser empfängt das Weltzeit-Signal, gesteuert von der "Atom-Uhr" der PTB in Braunschweig. Dadurch ist eine exakte Zeitskalierung der Mess-Spur möglich. Relaiskarte: Durch ein Computersignal kann an die Auslenkspulen der Pendel (vgl. Kap. 2.3) ein Spannungsimpuls angelegt werden, das diese auslenkt. Streamer: Der Streamer sichert und lädt die Daten auf / von Band. Ein Band hat eine Kapazität von ca. 180 MByte - genug für zwei Monate ununterbrochener Aufzeichnung. Modem: Über das Modem kann jeder, der ebenfalls über ein solches Gerät und eine Zugangsberechtigung verfügt, in Kontakt mit der Station treten.
Die Rechner stammen aus Ausschussbeständen des Aachener Klinikums und des Umweltamtes Aachen. Relaiskarte, Verstärker/Filter, Netzteile und Verkabelung stammen aus eigener Produktion.
Es wurden fünf Programme geschrieben (Bis jetzt ca. 5000 Schritte in Borland-Pascal/ASM, siehe auch Abb. 2.6/2.7:
Das Sampling-Modul: | Kümmert sich um die Datenerfassung und steuert die Rampe für die Papieraufzeichung. |
Das "Outpost"-Modul: | Eine Mailbox, über die der Anrufer mit dem System kommuniziert. Ruft das Transfer-Modul auf. |
Das Transfer-Modul: | Sorgt für das tägliche Backup. |
Der Viewer: | Ein Mini-Auswertungsprogramm. |
Das Kontroll-Modul: | Dieses Modul macht die "live"-Daten auf entferntem Rechner sichtbar. |